Theater Voltaire
Hurra, wir machen Krieg !
Commedia dell’arte
Die Mobbinghexe telefoniert
Dr. Chef und Herr Arsch
Die Mobbinghexe instruiert Herrn Arsch
Armer Herr Arsch!
Die Mobbinghexe schiebt den Rausländer ab
Die Mobbinghexe denunziert Herrn Arsch beim Chef
Königin und König
Das Nahost-Ensemble
König hofiert Königin
Firmus und Rasmus

Hurra, wir machen einen Krieg !
Dramatische Satire über die Befreiung Kuweits mit den Mitteln der Commedia dell’arte



Das Stück wagt das Experiment, ein weltpolitisches Geschehen (den Golfkrieg von 1991) mit Mitteln der Commedia dell’arte auf die Bühne zu bringen: Pantalone, Capitano, Brighella, Colombina, Dottore, Arlecchino, Pulcinella – sie alle stehen für jeweils eine am Konflikt beteiligte politische Kraft und führen dem Zuschauer durch scheinbar heiteres, unbekümmertes komödiantisches Spiel auf teils amüsante, teils beklemmende Weise den maßlosen Zynismus der Mächtigen vor Augen, wobei der Verlauf der Handlung der Dramaturgie von Kriegsvorbereitung und –durchführung folgt. Der Ernst des kriegerischen Geschehens wird so in den Bereich der Farce gehoben – Weltpolitik als Posse!

Wenngleich der Text vom Autor festgelegt ist und nicht, wie in der Blütezeit der Commedia dell’arte üblich, improvisiert wird, so lässt er dennoch reichlich Spielraum für improvisiertes pantomimisches Spiel. Die traditionell stark typisierten Figuren bewahren dabei ihre charakteristischen Eigenschaften – freilich werden sie dennoch in ganz untypischer Weise verwendet, nämlich nicht für Karnevalsspiel und volkstümliche Unterhaltung, sondern für ein politisch engagiertes, aufklärerisches Theater: sie helfen dem Zuschauer bei dem Experiment, den High-Tech-Krieg einer Supermacht des späten 20. Jahrhunderts als Stegreifspiel zu betrachten.
Die sieben Rollen lassen sich mühelos auf vier Darsteller verteilen; Kulissen werden nicht benötigt – das Stück kann mit relativ wenig Aufwand in Szene gesetzt werden und kommt daher auch den Bedürfnissen kleinerer und finanzschwächerer Bühnen entgegen. Angesichts der Militäroperation „enduring freedom“ und dem Bundeswehreinsatz in Afghanistan hat es nichts von seiner Aktualität eingebüßt.

Bisherige Aufführungen:

19.10.1997 Kaue Gelsenkirchen

 

23.10.1998 Forum Museum Bochum

 

(jeweils durch das Theater Voltaire)



 

 

Textauszug aus dem dritten Akt:
Dottore: Soso, aha, ja aber, ... Pantalone hatte Olivia doch demokratische Verhältnisse für nach dem Kriege versprochen ...
Colombina: (hält ihm den Mund zu) Schon gut, Pantalone kümmert sich um alles; er weiß am besten, was er zu tun ... (geheimnisvoll zum Publikum) und was er zu lassen hat!
Dottore: (versucht vergeblich zu sprechen; man versteht lediglich:) ... neue Friedensordnung ... 3,3 Milliarden Dollar ...
Pantalone: Aber liebster Dottore, wir sind doch gute Freunde!
Colombina: Ihr wollt doch nicht wohl Eure Freundschaft mit Pantalone madig machen ... sie leichtfertig aufs Spiel setzen? -
Pantalone: Unseren klinisch sauberen Friedenskrieg in den Schmutz ziehen?
Colombina: Eine von Grund auf bessere Welt für nur 3,3 Milliarden Dollar - das ist doch ein billiges Vergnügen!
Pantalone: (zu Colombina) Gönn ihm ein kleines Erfolgserlebnis! Schließlich soll er auch unsere künftigen Kriege bezahlen.
Colombina: (zu Dottore) Mögt Ihr mich heute Abend in meiner Kammer besuchen? ... die ganze Nacht? (liebkost ihn, bis auch er zärtlich wird)
Capitano: (erscheint plötzlich unerwartet) Halt! Stehenbleiben! Rechtsum! (wirft den Dottore zu Boden)
Colombina: Mein Held! Mein Capitano! ... so stark und tapfer ... und hast wieder gesiegt ... wie gut das alles geklappt hat mit unserem Krieg! (umschlingt und küsst ihn; anschließend begrüßt er Pantalone)
Capitano: Olivia ist wieder frei.
Pantalone: Ich danke dir.
Colombina: (eifrig) Das müssen wir feiern!
Capitano: (auf den Dottore deutend) Was will dieser Schuft hier? (beginnt, auf ihn einzuprügeln; Colombina tut, als wollte sie ihn zurückhalten)
Colombina: Nur ein bisschen Mut habe ich ihm zugesprochen und ihn getröstet ... ach, Capitano, wir hatten ja alle solche Angst um dich! (küsst ihn erneut)
Capitano: Hinfort mit ihm! (prügelt weiter)
Dottore: Ja aber aber, ja und und und ... die neue Weltfriedensordnung?
Pantalone: Die brauchen wir jetzt nicht mehr.
Colombina: Haben wir eigentlich noch nie gebraucht - wozu auch?
Pantalone: Auf Wiedersehen, Dottore, und studiert schön fleißig weiter in Bologna! (sie lachen höhnisch; Dottore ab) Ich glaube, wir sollten jetzt unseren überwältigenden Sieg feiern.


Textauszug aus dem zweiten Akt:
Colombina
: Oh, ich glaube, wir sollten dieses Land schnellstens zerstören - was  meint Ihr, Signor Pantalone?
Pantalone: Oh ja gewiss! Und wie gedenkt der Capitano die Zerstörung durchzuführen? Waffen kosten Geld und dürfen nicht sinnlos verpulvert werden.
Capitano: (demonstriert mit den immer gleichen wilden Gesten die Mechanismen des High-Tech-Wars; Colombina und schließlich auch Pantalone imitieren sie - ein kleines Ballett entsteht) Alles kein Problem - heutzutage gibt es intelligente Waffensysteme. Bordcomputer steuern Flugzeugschwärme im Blindflug metergenau zu den Zielen ... (Staunen und Begeisterungsrufe von Colombina und Pantalone) ... smarte Raketen werden von Fernsehkameras und Infrarotsensoren ins Ziel gesteuert ... kluge Bomben garantieren ein präzises Bombardement mit unfehlbarer Sicherheit ...
Pantalone: (unterbricht ihn) Ja aber ... aber ... es muss auch sichergestellt sein, dass nicht unnötig viele Zivilisten umkommen; Kinder, Frauen, Greise ... alles, was den Gegnern des Krieges Argumente liefern könnte, sollte am besten unterbleiben.
Capitano: Seid unbesorgt! Wir machen einen richtigen Videokrieg und lügen der Öffentlichkeit mit Hilfe von Propagandamaterial etwas vor von chirurgischen Schnitten, klinisch sauberen Angriffs- und Entwaffnungsschlägen mit lasergesteuerten Bomben ... pin point accuracy; sagen, es würde der sauberste aller Kriege, just fire and forget ...
Colombina: (völlig aus dem Häuschen) Fire and forget - wie herrlich das klingt! Wie wunderbar! (gibt Capitano einen Kuss; dieser versucht im weiteren Verlauf des Dialogs immer mehr, lüstern an ihr herumzugreifen, was sie immer verzweifelter abwehrt, damit Arlecchino nicht entdeckt wird)
Capitano: Nicht wahr? Und da gibt es Leute, die ernsthaft fragen, wieso wir nicht einfach den Wüstenfuchs gefangennehmen, statt sein ganzes Land zu zerstören, die Zivilbevölkerung in Angst und Schrecken zu versetzen und hunderttausend von schlecht ausgerüsteten Wehrpflichtigen abzuschlachten.
Colombina: (seufzt) Die Menschen sind so uneinsichtig! So abscheulich dumm!
Pantalone: Haben nicht den geringsten Sinn fürs Geschäft! - ... pin point accuracy ... alles gut und schön, aber wie erreichen wir, dass die Presse uns nicht in den Rücken fällt?
Capitano: Ganz einfach: Die Armee und sie allein bestimmt die Kriterien für die Einbeziehung der Medien in die Organisation des Krieges. Wir verhängen rasch eine Militärzensur, ‘Sicherheitsüberprüfung an der Quelle’, und erklären großzügig, später nähmen wir auch Anträge auf neutrale Berichterstattung entgegen.
Colombina: (lacht herzlich) Vortrefflich! (prustet in die Hand) Anträge entgegennehmen!
Pantalone: Und die Journalisten, die zu Hause bleiben?
Capitano: Ja die, die kümmern sich um die technologische Design-Kriegsführung (Colombina und Pantalone lachen noch ausgelassener); die graphische Gestaltung von Kriegsnachrichten ... einfach, schnell und abwechslungsreich ... unterhaltungswirksam ... begleitet von eingängigen synthetischen Klängen ... wie ein spannender Krimi ... diskutieren Fragen der Ästhetik und des Layouts ... der Krieg wird ein großes Vergnügungsspiel ...
Colombina: Ein Videospiel! (sie lachen)
Pantalone: Ein Computerspiel (sie lachen) ... sehr unterhaltend ... Ja natürlich, weil sonst die Werbekunden den Sendern die Werbung entziehen und den Sendern so wichtige Einnahmen entgehen!
Colombina: Schließlich wollen ja alle am Krieg verdienen!
Pantalone: Tja, dazu ist er nun mal da ... dazu hat der liebe Gott ihn geschaffen!
Colombina: Alle sollen sich am Krieg berauschen! (nach jedem Zitieren eines Ideals lachen sie zügelloser)
Capitano: Und immer wieder ist die Rede von Freiheit, Gerechtigkeit, Furchtlosigkeit, Heldentum ...
Pantalone: Freundschaft!
Colombina: Stärke!
Capitano: Gemeinschaft!
Pantalone: Familie!
Colombina: Heimat!
Pantalone: Gott!
Colombina: Apple pie! (länger anhaltendes Lachen; danach kurze Pause)