Theater Voltaire
Mobbinghexe
Commedia dell’arte
Die Mobbinghexe telefoniert
Dr. Chef und Herr Arsch
Die Mobbinghexe instruiert Herrn Arsch
Armer Herr Arsch!
Die Mobbinghexe schiebt den Rausländer ab
Die Mobbinghexe denunziert Herrn Arsch beim Chef
Königin und König
Das Nahost-Ensemble
König hofiert Königin
Firmus und Rasmus

Die Mobbinghexe schiebt ab
Eine schwarze Komödie


Haupthandlung: Der dramatische Konflikt entzündet sich am Eindringen eines neuen Mitarbeiters in den Arbeitsbereich einer seit bereits vielen Jahren beschäftigten Arbeitskraft. Das Fremde, Neue, Unbekannte sowie die zu erwartenden Veränderungen verunsichern und beängstigen die erfahrene Sekretärin, ja, sie fühlt sich geradezu bedroht, umso mehr, als sich der neue Mitarbeiter als erfolgreich erweist und Anerkennung bei ihrem gemeinsamen Vorgesetzen findet.
Der dramatische Spannungsbogen des Stückes ergibt sich so aus den allseits bekannten Mechanismen und Verhaltensmustern, nach denen die immer skrupellosere Mobbingtäterin agiert und die ihr Vorgesetzter bis zum Ende nicht durchschaut (was ihn für den Zuschauer zu einer zunehmend komischen Figur macht: Der Vorgesetzte denkt, er hat seinen Betrieb im Griff, aber in Wirklichkeit hat seine Sekretärin ihn im Griff und er ist zu blöd, um das zu merken).Das Mobbingopfer schöpft immer wieder Hoffnung, vertraut darauf, alles werde sich doch noch zum Guten wenden, ja, es spekuliert sogar noch bis zum Schluss auf Beförderung und Gehaltserhöhung, denn es weiß sich im Recht.
Dennoch handelt es sich hier nicht um ein aufklärerisches Lerntheater (wenngleich man das Stück auch zu diesem Zweck erfolgreich aufführen könnte), sondern vielmehr um eine pfiffige und heitere (wenn auch schwarze) Komödie, die stellenweise zur grotesken Farce wird und auch mitunter die Nähe zum Kasperltheater nicht scheut. Mobbingtäterin wie Vorgesetzter sind Karikaturen, die immer wieder der Lächerlichkeit preisgegeben werden.

Nebenhandlung: Die drei Protagonisten sind in einem Privatunternehmen tätig, das für Ausländerbehörden Asylanträge ablehnt. Die unwürdige Behandlung, die dort einem Ausländer widerfährt, spiegelt noch einmal das Mobbingverhalten: Unsere Angst vor allem Fremden, vor Veränderung, vor Unbekanntem kann sich gegen neue Arbeitskollegen wie gegen Ausländer richten: Ausländerfeindlichkeit als Mobbingverhalten! Zwar überbieten sich alle drei Figuren im Hersagen fremdenfeindlicher Parolen, doch wird an einigen Stellen deutlich, dass sie nur sehr bedingt von ihren markigen Sprüchen überzeugt sind: Sie machen sich gegenseitig etwas vor – Fremdenfeindlichkeit als Gesellschaftsspiel!

Die Figuren: Herr Dr. Chef, der Vorgesetzte, ein typischer Mann in Führungsposition, will in erster Linie, dass sein Betrieb reibungslos funktioniert; er hält sich für jovial, schlau und seinen beiden Untergebenen auch geistig deutlich überlegen, durchschaut aber nicht das subtile und perfide Intrigenspiel der Mobbinghexe, die keinesfalls nur böse und gemein, sondern aus durchaus liebenswert ist. Allein, sie verteidigt ihre Position mit allen ihr nur zur Verfügung stehenden Mitteln. Als Frau hat sie den Gegenpart zur Rolle des männlichen Vorgesetzten, dem es an Einfühlungsvermögen fehlt. Herr Arsch, das Mobbingopfer, voll guten Willens, durchschaut in seiner Harmlosigkeit das Spiel seiner Kollegin erst, als es schon zu spät ist und sein Chef ihn gar nicht mehr vorurteilsfrei anhören kann. Ein Ausländer, der rein gar nichts zu sagen hat und lediglich Requisite ist, kann vom gleichen Darsteller wie der Vorgesetzte gespielt werden. Wenngleich nur Randfigur, so bietet doch auch sie viele Möglichkeiten für pantomimisches und komödiantisches Spiel.

Die Mittel der Darstellung: Der zunächst einmal psychologische und durchaus realistische Duktus des Stückes nimmt immer wieder groteske und auch absurde Züge an und begibt sich so mehrfach in die Nähe der Farce, um so noch deutlicher zu machen, was unter der Oberfläche des reinen Dialoges in den Figuren bzw. unserer Gesellschaft vorgeht. So wird das grundsätzlich ernste Thema immer wieder Anlass zu komödiantischem Spiel zwischen Realismus und Karikatur.

Das Stück kann mit sehr wenig Aufwand in Szene gesetzt werden; das Bühnenbild kommt mit drei Tischen, drei Stühlen, zwei bis drei Telefonen sowie ein paar Akten und Formularen aus.



Textauszug aus dem ersten Akt:
Mobbinghexe
: Wir gehen den Fragebogen einmal gemeinsam durch. (streng) Und passen Sie gut auf, ich erklär‘ es kein zweites Mal!
Arsch: Ich will mir Mühe geben.
Mobbinghexe: Also: Personalien sind nach Aktenlage auszufüllen. Nun zu den Fragen.
Arsch: Volkszugehörigkeit?
Mobbinghexe: Ausland.
Arsch: Aha ...Mentalität?
Mobbinghexe: Dunkle Haut. Klammer auf, Farbe, Klammer zu.
Arsch: Selbstverständnis?
Mobbinghexe: Nicht integrierbar.
Arsch: Gründe für oder gegen Abschiebung? Humanitär, politisch, rechtlich, faktisch?
Mobbinghexe: Da schreiben Sie unter rechtlich: Schwarzarbeit, Komma, siehe Mentalität, Klammer auf, Farbe, Klammer zu.
Arsch: AIDS-Test ... oh, das ist sicher schwierig?
Mobbinghexe: Vertrauliche Auskünfte erteilt Ausländerhilfe.
Arsch: Kriegs- oder Bürgerkriegsflüchtling?
Mobbinghexe: Der Chef schreibt immer: Krieg beendet. Er meint, das kann sowieso keiner nachprüfen.
Arsch: Und die vielen freien Zeilen am Ende, unter „Gründe für die Ablehnung oder Anerkennung“?
Mobbinghexe: Ach ja, das können Sie noch nicht wissen, da kommt immer eine Standardformulierung hinein: Verteidigung des christlichen Abendlandes und seiner materiellen und ideellen Werte gegen zersetzende Einflüsse aus Morgenland und Mohrenland. – Das wär’s schon! - Wo haben Sie vorher gearbeitet?
Arsch: Im Umweltbereich. Entsorgung. Ich besuchte die mittlere Geldanhäufungsschule, flog einmal um die halbe Welt und landete im Umweltbereich.
Mobbinghexe (ebenso; begeistert): Genau wie ich! Ich besuchte die höhere Profitmaximierungsschule, reiste ein halb Mal um die ganze Welt und landete im Ausländerbereich ... (Ein schäbig gekleideter Ausländer mit altmodischer Aktentasche tritt ein.)
Arsch (freundlich): Grüß Gott!
Ausländer (krächzend): Nix versteh!
Die Mobbinghexe dreht sich blitzschnell um und erblickt den Ausländer; sie steht auf.
Mobbinghexe (keifend): Aber Herr Arsch! Wir haben doch heute gar keinen Publikumsverkehr!
Arsch (erschrocken): Ach, du liebe Zeit! Was mache ich jetzt?
Mobbinghexe (sehr energisch): Was sie jetzt machen? Ihn dahin befördern, wo er hergekommen ist. Das ist schließlich Ihr Job hier!
Arsch (zum Ausländer, sanft und freundlich): Verzeihen Sie bitte, würde es Ihnen wohl etwas ausmachen, zu unseren offiziellen Publikumsverkehrszeiten wiederzukommen? Es ist alles meine Schuld. Ich hätte niemals zulassen dürfen, dass ...
Ausländer (unterbricht ihn): Nix versteh!
Mobbinghexe (schreit): Du raus! (Arsch und Ausländer erschrecken; die Mobbinghexe zeigt auf die Tür, durch die der Ausländer eingetreten ist.)
Mobbinghexe: Da raus, Rausländer!
Ausländer: (jammert; fast weinerlich) Nix versteh!
Mobbinghexe (als schrie sie um Hilfe): Polizei! Polizei!
Ausländer: Nix versteh!
Mobbinghexe (seufzend): Was haben Sie da bloß angerichtet, Arsch?
Arsch (weinerlich): Ich weiß nicht, was ich tun soll. (kopfschüttelnd) Wo ich doch alles so gut machen wollte!
Er sieht die Mobbinghexe hilflos an.
Mobbinghexe (strafend): Und jetzt?
Arsch (verzweifelt): Ich weiß es nicht.
Er verbirgt sein Gesicht in seinen Händen.
Mobbinghexe (unbarmherzig): Sie haben versagt, Arsch, völlig versagt! Was wird der Chef dazu sagen? Einfach einen ... Rausländer hier reinzulassen ... noch dazu einen so hartnäckigen, der nicht wieder geht. Ich fürchte, wir werden ihn erst wieder los, wenn wir auf der Stelle seinen Fall bearbeiten.