Theater Voltaire
Leiden der Väter
Commedia dell’arte
Die Mobbinghexe telefoniert
Dr. Chef und Herr Arsch
Die Mobbinghexe instruiert Herrn Arsch
Armer Herr Arsch!
Die Mobbinghexe schiebt den Rausländer ab
Die Mobbinghexe denunziert Herrn Arsch beim Chef
Königin und König
Das Nahost-Ensemble
König hofiert Königin
Firmus und Rasmus

Jacques, Kleingartenzoo und Fauäffäll oder die Leiden der jungen Väter
Ein Bubenstück für drei bis vier Darsteller



Thematik des Stückes: Das tragikomische Psychodrama thematisiert mit einer stilisierten Sprache sowie mit Mitteln des absurden Theaters und der Farce die Unmöglichkeit, als junge Eltern in einer völlig gleichberechtigten Partnerschaft zu leben und macht deutlich, dass die jungen Väter bei einem solchen Versuch am Ende oft als Verlierer dastehen. Erst bewundern die Frauen die männlichen Eigenschaften ihrer Partner, dann fordern sie in ihrem Emanzipationsstreben, die jungen Väter sollten sich mit ihnen die weibliche Mutterrolle teilen, und tadeln die männlichen Eigenschaften; haben sie sie den Vätern aber schließlich aberzogen, finden sie ihre einstmals bewunderten Männer oft nicht mehr interessant. Auch führen das ständige Eingehen auf die Bedürfnisse von Mutter und Kind sowie das eifrige männliche Engagement bei Haushalts- und Babypflege bei jungen Vätern oft zu völliger Überforderung: sie haben kaum noch Zeit für Freunde, Sport und Hobbys, vereinsamen zunehmend und verlieren am Ende nicht selten noch die Partnerin.
So thematisiert denn auch das Vorspiel des Stückes die Freude über Vaterschaft und Familienglück; die Handlung der drei folgenden Akte hingegen schildern Ernüchterung, Frustration und Verzweiflung des jungen Vaters, der sich obendrein auch noch im Beruf weniger engagiert, um seine Frau daheim mehr unterstützen zu können, was schließlich zum Verlust seines Arbeitsplatzes führt. Am Ende sind alle tragenden Säulen seines früheren Lebensglückes weggebrochen (Arbeitsplatz, Freunde, Sport, Hobbys), bei Haushalts- und Babypflege fühlt er sich mehr und mehr wie ein großes domestiziertes Haustier, das in einen viel zu kleinen Käfig eingesperrt wurde, und die seiner zunehmend überdrüssige Partnerin kann ihm obendrein noch damit drohen, ihn auch noch zu verlassen, und ihn so erpressen.



Die Figuren:
JACQUES
ist ein hilfsbereiter junger Mann, gutwillig, etwas zu nachgiebig, eher passiv als aktiv; er reagiert eher, als dass er agiert, lässt sich von seiner Frau zunehmend bevormunden und redet sich ein, diese Schwäche sei Liebe; auch hat er im Gegensatz zu seiner Frau kein klares Konzept hinsichtlich der Gestaltung seines Privatlebens und nach der Geburt seines ersten Kindes auch keine Zeit mehr, viel darüber nachzudenken  

ROBERTE, seine Ehefrau, meint es gut mit ihm; sie tritt selbstsicher und selbstbewusst auf, ist modern und emanzipiert, weiß genau, was sie will, und weiß ihre Interessen auch zielstrebig durchzusetzen; als erwerbstätige junge Mutter befindet sie sich in dem Dauerkonflikt zwischen beruflichem Fortkommen und Kinderversorgung

ROBERTE PÈRE, ihr Vater, stammt aus dem gehobenen Bürgertum und lässt den aus einfacheren Verhältnissen stammenden Jacques zunehmend seine Verachtung spüren; er hat Humor und Witz, ist dabei aber zynisch und arrogant und propagiert die in seiner Generation übliche traditionelle Rollenverteilung von Mann und Frau in der Ehe; eine völlige Gleichberechtigung in der Partnerschaft, bei der der junge Vater die Mutterrolle mitspielt, ist ihm fremd; für ihn sind Männer weder physisch noch psychisch für Babyversorgung geschaffen (1. Gegenkonzept zu Jacques)

JACQUES AMI meint es gut mit seinem früheren Freund Jacques; als Single hat er all jene Freiheiten, auf die Jacques in seinem Kleingartenzoo verzichten muss; vor allem hat er Zeit für Freunde, Sport und Hobbies, eben für alles, was Jacques von der Geburt seines ersten Kindes an aufgeben musste (2. Gegenkonzept zu Jacques)
 


Dem alltäglichen Geschehen der Handlung steht eine stilisierte Kunstsprache gegenüber, die die Brüchigkeit der vermeintlichen Kleinfamilienidylle verdeutlicht. Drei nacheinander zu spielende Schlüsse des dritten Aktes weisen auf die Unlösbarkeit des Grundkonfliktes hin, zumal wenn die junge Mutter auf Berufstätigkeit und Karriere besteht:
1. Schluss: Roberte tut so, als wolle sie Jacques verlassen. Der völlig zerknirschte Jacques ist erleichtert, als er erfährt, dass sie nur Spaß gemacht hat, und denkt, nun habe er sein Leben wieder fest im Griff.
2. Schluss: der verzweifelte Jacques will Roberte verlassen, aber sie und ihr Vater machen ihm klar, dass er gar keine Alternativen hat: wo sollte er auch hingehen? – Roberte hat sein Leben fest im Griff!
3. Schluss: Jacques sinnt auf allerlei Selbstmordversuche, lässt sich aber von Roberte und ihrem Vater immer wieder davon abbringen; schließlich eröffnet ihm Roberte, dass sie schon wieder schwanger ist – das Stück beginnt von vorn.

Anknüpfungspunkt und Inspirationsquelle des Stückes ist Eugène Ionescos Jacques ou la soumission (nämlich die Unterwerfung des Individuums unter die einengenden Konventionen der Familie), entstanden 1950, uraufgeführt 1955 in Paris. Der Zwang, die elterlichen Erwartungen brav zu erfüllen, hindert den jungen Jacques daran, für sich selbst nach neuen Lebensformen zu suchen, diese zu entwickeln und, zumindest probeweise, zu leben. Die normative Kraft des bürgerlichen Konformismus macht alles diesbezügliche Experimentieren von vorn herein zunichte.
Die Charaktereigenschaften von Ionescos Hauptfiguren, Jacques und Roberte, behält das Stück Jacques, Kleingartenzoo und Fauäffäll im Wesentlichen bei; die Rolle von Jacques’ Schwiegervater ist deutlich weiterentwickelt, die von Jacques’ Freund neu hinzugefügt. Auf alle übrigen Ionesco-Figuren verzichtet das neue Stück.



Textauszug aus dem Vorspiel:
R. Père
(feierlich): Obwohl Herr Schwieger es natürlich nicht verdient und überhaupt uns ja nicht das Wasser reichen kann, schenke ich seiner ihn zärtlich liebenden Roberte und damit leider auch ihm einen Pavillon im Kleingartenzoo. (Roberte schreit laut auf und fällt ihm um den Hals)
Roberte: Pa, du bist doch der beste Vater auf der ganzen Welt!
Jacques: Das bin ich doch!
Roberte: Wie großzügig und großherzig von dir! Kaum traue ich mich, eine solch große Gabe anzunehmen. Ist’s wirklich wahr? (sie nimmt Jacques an die Hand und geht mit ihm zu ihrem Vater hin; beide starren diesen fragend mit offenen Augen an)
R. Père (nach einer spannungsgeladenen Pause) Ja. (Roberte seufzt erleichtert)
Jacques: Du hast nichts davon gewusst?
Roberte: Natürlich hab‘ ich alles gewusst, ich bin ja nicht blöd, habe mit Pa schon alles idealfertig eingerichtet. Überraschung!
Jacques (perplex): Aber all die Möbel hier, die ich dir zur Hochzeit geschenkt habe?
Roberte: Der Sperrmüll kommt morgen früh.
R. Père: (nickt zustimmend) Ich hab ihn schon im Voraus bestellt.
Jacques: (kopfschüttelnd) Im Kleingartenzoo ... da kennen wir doch niemanden.
R. Père: Oh doch, auch ich habe mir dort einen Pavillon gekauft, einen Schlosspavillon, übrigens viel größer und schöner noch als eurer.
Roberte: Und all meine Tanten und Urtanten wohnen dort und freuen sich schon wahnsinnig , uns künftig ohne größere Anfahrten immer öfter besuchen zu können.
Jacques: Der Marathonplatz war hier so nah ...
Roberte: Es gibt überall Marathonplätze!
R. Père: (lachend): Energisch und ausdauernd wie er ist, wird junger Herr Schwieger da wohl auch in Zukunft hingelangen können.
Jacques: Mein bester Freund wohnt hier um die Ecke ...
R. Père: Natürlich, da trennt sich dann die Spreu vom Weizen: wer wirklich an ihm interessiert ist, wird auch dort Verkehrskontakt zu ihm pflegen.
Jacques: Die Kneipe unten ...
Roberte: Doch kein Umgang für dich!
Jacques: ... mit all meinen Kumpels ...
Roberte: Die haben sowieso noch nie zu dir gepasst; die brauchst du jetzt nicht mehr.
Jacques: Am liebsten zög‘ ich ja in eine Wohngemeinschaft ...
R. Père: (empört) Aber Herr Schwieger!
Jacques: Flexibles Zusammenleben ermöglicht doch frischen Elan.
R. Père: So etwas öffnet doch nur dem Treuebruch Tür und Tor!
Roberte: (tut, als kämpfte sie mit den Tränen) Liebst du denn deine Roberte gar nicht mehr?
Jacques: Was mir vorschwebt, ist interessante Lebensfülle, ...
R. Père: So sprechen Leute, die sich vor Verantwortung drücken wollen, ...
Jacques: ... spielerische Lebendigkeit, ...
R. Père: ... keine Belastungen auf sich nehmen wollen, ...
Jacques: ... leidenschaftliches Dasein ...
R. Père: ... Pflichten zu umgehen versuchen. (zu Roberte) Na, da habe ich wohl die Perlen vor die Säue geworfen. Wo doch gerade der Kleingartenzoo die ideale Schutzhülle für aufkeimendes Familienglück ist ... in bester Wohnlage mit Blick auf Nationalbibliothek, Seine und Bois de Boulogne ... gut abgeschirmt von Behausungen, (auf Jacques deutend) wo seinesgleichen herstammen. Moderner Komfort gepaart mit Luxus und Extravaganz ... eigentlich gar nicht nötig für solche wie ihn da ... eine geräumige Kapitalwohnanlage für Mensch und Hund aus besserem Hause ...
Roberte: Wir werden alles tun, um uns dieses großartigen üppigen Geschenkes würdig zu erweisen, nicht wahr, Jacques? – Ja, wir versprechen es.
Jacques: (artig) Geld, Kinder, Er-staunen, Ein-schnitt.
R. Père: Schon gut. Das Zootaxi wartet unten nun schon anderthalb Stunden. Seid ihr endlich fertig?
Roberte: Ich glaube schon. Ach Pa, ich bin ja so aufgeregt ...
R. Père: Typisch Frau. Komm jetzt! (streng zu Jacques im Fortgehen) Verantwortung, Ernst, Pflichterfüllung.
 (Licht aus)

Der vollständige Text des Stückes ist im Buchhandel erhältlich (Edition Federkultur, F. S. Friedrich Verlag Frankfurt/M, ISBN 978-3-937446-83-7).